Ausgleichsanspruch nachbarrechtlicher Russimmission

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2 BGH,

Urt. v. 18. November 1994 - V ZR 98/93 -

Der von einer Immission Betroffene ist auch dann aus besonderen Gründen gehindert, die Einwirkungen zu unterbinden, wenn er auf Versprechungen des Störers zur Abhilfe und auf die Durchsetzung verwaltungsrechtlich angeordneter Abhilfemaßnahmen vertraut und wenn nicht anzunehmen ist, er werde mit zivilrechtlichen Mitteln schneller die Beeinträchtigung abstellen können, als dies im Verwaltungsverfahren und durch eigene Anstrengungen des Störers möglich ist. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsurteil aber auch auf der Grundlage seines eigenen Ausgangspunkts, weil die analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht in Betracht gezogen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, kann dem betroffenen Eigentümer ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auch bei unzulässigen und daher an sich abwehrfähigen Beeinträchtigungen zustehen, wenn er aus besonderen Gründen gehindert war, die Einwirkungen zu unterbinden, und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß überschreiten (vgl. z.B. BGHZ 90,255 ,262 ff. m.w.N.; Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 906 Rdn. 29). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist damit die analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf den Zeitraum des Verfahrens beschränkt, in dem der Betroffene einen Abwehranspruch (Primäranspruch) gerichtlich verfolgt. Es bleibt vielmehr dabei, dass der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch immer auch dann gegeben ist, wenn es der Beeinträchtigte aus besonderen Gründen unterlassen durfte, seinen Primäranspruch überhaupt geltend zu machen. Mit Recht verweist die Revision auf Tatsachenvortrag der Kläger (Schriftsatz vom 15. Oktober 1992, S. 6, und v. 5. Februar 1993, S. 4), aus dem sich ergibt, dass sie aus triftigen tatsächlichen Gründen den Abwehranspruch nicht geltend gemacht haben. Die Beklagte wusste seit den Feststellungen des Technischen Überwachungsvereins im Jahre 1984, dass sie die Grenzwerte der TA-Luft erheblich überschritt. Nach dem genannten Vortrag war sie nicht nur von den Klägern, sondern auch vom Umweltschutzamt wiederholt zur Eindämmung der Russimmissionen aufgefordert worden und hatte schließlich sowohl gegenüber den Klägern als auch am 24. September 1986 gegenüber dem Umweltschutzamt den kurz bevorstehenden Einbau eines Rauchgasfilters zugesagt. Am 21. März 1988 erließ die Stadt F. eine Anordnung zur Altanlagensanierung. Die Kläger durften auf das Versprechen der Beklagten vertrauen und waren nicht gehalten, auch zivilrechtlich vorzugehen, weil nicht anzunehmen ist, dass sie auf diesem Wege schneller hätten Abhilfe schaffen können, als dies im Verwaltungsverfahren und durch die eigenen Anstrengungen der Beklagten möglich war (vgl. BGHZ 91,20 ,24).

 

 


Verjährung von nachbarrechtlichen Ausgleichansprüchen bei Russimmission

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2 BGH,

Urt. v. 18. November 1994 - V ZR 98/93 -

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verjährt in 30 Jahren (§ 195 BGB). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Ausgleichsanspruch in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch nicht teilweise verjährt, da er mangels einer entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmung der Regel des § 195 BGB folgt und damit in 30 Jahren verjährt (vgl. BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 906 Rdn. 80; Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 906 Rdn. 49; MünchKomm/Säcker, BGB, 2. Aufl., § 906 Rdn. 122; Palandt/Bassenge, BGB, 53. Aufl., § 906 Rdn. 33; Soergel/Baur, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 118; Filthaut, VersR 1992,150,154; Glaser/Dröschel, Das Nachbarrecht in der Praxis, 3. Aufl., S. 193; OLG Hamm, NJW 1988,1031,1033; LG Münster, NJW-RR 1986,947,954; vgl. auch Senatsurt. v. 25. März 1977, V ZR 242/75, unveröffentlicht, dort allerdings offengelassen). Es handelt sich weder nach Grundlage noch nach Umfang um einen deliktsähnlichen Anspruch, vielmehr bemisst er sich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung (BGHZ 90,255 ,263 m.w.N.). Er steht damit den Ansprüchen aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff nahe, die ebenfalls in 30 Jahren verjähren (vgl. BGHZ 9,209 ). Eine analoge Anwendung von § 852 BGB ist damit ausgeschlossen. Dies mag als Ungereimtheit empfunden werden, weil es auf eine Besserstellung des deliktischen Immittenten hinausläuft (vgl. Hoche, Festschrift für H. Lange, S. 241 ff., 256; Jauernig, BGB, 7. Aufl., § 906 Anm. 3 b dd; Staudinger/Roth, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 232; LG Regensburg, NJW 1986,2768), könnte aber nur vom Gesetzgeber und nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung korrigiert werden, weil gerade bei der Verjährungsdauer der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauens in die bestehende Gesetzeslage eine ausschlaggebende Rolle spielt. Daran kann im vorliegenden Fall auch die Tatsache einer eventuellen Anspruchskonkurrenz mit Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nichts ändern. Beide Ansprüche unterliegen vielmehr verschiedenen Voraussetzungen und rufen zum Teil unterschiedliche Rechtsfolgen hervor (vgl. auch Mattern, WM 1972,1410,1411 ff.). Es bleibt deshalb bei dem Grundsatz, dass jeder der in Anspruchskonkurrenz stehenden Ansprüche nach der für ihn festgesetzten Zeit verjährt (RGZ 168,292,301).

 


zuletzt geändert am: 29.03.2004

PBS Planungsbüro Suhle