Die Verwendung von Sicherheitseinbehalt  

§ 17 Nr. 3 VOB/B

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.09.2001, VII ZR 467/0.

Nichtamtlicher Leitsatz

Mit Rücksicht auf die Auftragnehmerinteressen ist der Auftraggeber gehalten, dem Unternehmer gegenüber unverzüglich zu erklären, ob er den Sicherungseinbehalt verwertet. Der Unternehmer darf nicht hingehalten werden. Kommt der Auftraggeber dem Gebot, sich unverzüglich zu erklären, nicht nach, bleibt es bei dem Austauschrecht des leistenden Auftragnehmers. Der Auftraggeber muss den Sicherungseinbehalt ausbezahlen, die Bürgschaft kann er behalten.

Zum Sachverhalt

Ein Unternehmer führte für den Bauherrn aufgrund mehrerer VOB-Verträge Dachdecker- und Klempnerarbeiten aus. Gemäß der vorliegenden Verträge war der Bauherr berechtigt, von der Schlussrechnung 5 % als Gewährleistungssumme einzubehalten. Der Unternehmer konnte die Gewährleistungssumme nach mängelfreier Abnahme bzw. nach Beseitigung der Mängel durch eine unbefristete Bankbürgschaft ablösen. Die Leistung wurde abgenommen, alle Mängel behoben. Der Bauherr behielt ca. 18.000 DM ein, auch nachdem ihm der Unternehmer über diesen Betrag eine Bürgschaftsurkunde aushändigte und eine Frist zur Ausbezahlung des Einbehalts setzte.

Der Bauherr berief sich ca. einen Monat nach der Aufforderung zur Auszahlung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Nachbesserung mehrerer vom Unternehmer bestrittener Mängel.

Die Entscheidung

Nachdem die Leistung abgenommen wurde und alle Mängel behoben wurden, liegen die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für den Austausch des Sicherheitseinbehalts durch eine Bürgschaft vor. Mit Stellung der Bürgschaften erlangte der Unternehmer und Auftragnehmer gegen den Bauherrn und Auftraggeber einen Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts. Denn das Austauschrecht schließt aus, dass ein Auftraggeber eine ordentlich ersetzte Sicherheit einbehält. Eine Barsicherheit hat er alsbald auszuzahlen, wenn er die Bürgschaft als zum Austausch gestellte und geeignete Sicherheit entgegengenommen hat. Denn das Austauschrecht ist ein vertragliches Gestaltungsrecht des Auftragnehmers. Dieser ist berechtigt, die Art der Sicherheitsgewährung in dem vorgegebenen Rahmen zu bestimmen und zu verändern.

Dem Bauherrn stehen keine Gegenrechte zu, mit denen er diesen Anspruch zu Fall bringen kann. Der Nachbesserungsanspruch berechtigt den Bauherrn nicht, die Barsicherheit einzubehalten. Dies folgt aus der zwischen den Parteien getroffenen Sicherheitsabrede. Eine Sicherheitsabrede umfasst die Vereinbarung, dass eine Sicherheit für einen bestimmten Sicherungszweck in bestimmter Höhe und in einer bestimmten Art zu leisten ist und in welchem Zeitpunkt der Sicherungsfall eintritt, d. h., ab wann der Sicherungsnehmer berechtigt ist, die Sicherheit zu verwerten. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über den Sicherungsfall fehlt. Der Vertrag bedarf daher der an den Interessen beider Parteien ausgerichteten Auslegung. Diese ergibt, dass der Bauherr als sog. Sicherungsnehmer berechtigt ist, die Sicherheit allein für die vom Sicherungszweck erfassten geldwerten Gewährleistungsansprüche (Vorschuss auf Mangelbeseitigung, Schadensersatz, Minderung) zu verwerten. Denn die Sicherheit besteht in einem Bardepot – ihre Verwertung ist auf Geld gerichtet.

Der Sicherungsfall liegt noch nicht vor. Der Auftraggeber kann lediglich Nachbesserung verlangen. Aber selbst wenn man unterstellt, dass der Sicherungsfall eingetreten ist, wäre der Auftraggeber zur Auszahlung des Einbehalts verpflichtet. Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge von Sicherungsfall und Ausübung des Austauschrechts und der sich daraus ergebenden Folgen sind nämlich mehrere Fallgruppen zu unterscheiden. Bietet der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Austauschbürgschaft zu einem Zeitpunkt an, in dem der Sicherungseinbehalt bereits verwertet ist, ist für einen Austausch kein Raum mehr. Das Austauschrecht ist mit der Verwertung entfallen. Der Auftraggeber muss die Bürgschaft zurückweisen. Macht der Auftragnehmer von seinem Austauschrecht zu einem Zeitpunkt Gebrauch, in dem der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist, ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, die Bürgschaft entgegenzunehmen und den Sicherheitseinbehalt auszuzahlen. Kommt er dem nicht unverzüglich nach, verletzt er die Sicherungsabrede. Auch wenn der Sicherungsfall eintritt, bleibt er zur Auszahlung verpflichtet. Den Anspruch auf eine Sicherheit verliert er dadurch nicht. Er muss sich mit der Austauschsicherheit begnügen. Etwas anderes könnte im Einzelfall gelten, wenn der Sicherungsfall unmittelbar bevorsteht, etwa weil eine zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist kurz nach Eingang der zum Austausch übermittelten Bürgschaft abläuft.

Liegt der Sicherungsfall unmittelbar bei Stellung der Bürgschaft dagegen bereits vor, steht es im Belieben des Auftraggebers, ob er die Bürgschaft als Austauschsicherheit annimmt oder den Bareinbehalt verwertet. Die Wahrnehmung des Austauschrechts hindert den Auftraggeber nicht, bereits entstandene geldwerte Gewährleistungsansprüche durch Zugriff auf das Bardepot zu befriedigen. Wählt er die Verwertung, ist für einen Austausch kein Raum mehr. Er darf die Bürgschaft nicht entgegennehmen. Entscheidet sich der Auftraggeber für die Bürgschaft, muss er den Sicherheitseinbehalt auszahlen.

Hier muss der Bauherr den Sicherheitseinbehalt auszahlen, da er es versäumt hatte, die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts unverzüglich abzulehnen.

 


zuletzt geändert am: 29.03.2004

PBS Planungsbüro Suhle