Erschließungsplanung

BGB § 649; HOAI § 40; BauZVO § 55 (4); ZPO § 518

Oberlandesgericht Rostock, 2. Zivilsenat, Urteil vom 2. 8. 1996 - 2 U 60/95

An die Planungsleistungen für einen Vorhaben- und Erschließungsplan sind grundsätzlich die gleichen materiell-rechtlichen Anforderungen wie an einen Bebauungsplan zu stellen. Die Planungsleistungen entsprechen in der Regel dem Leistungsbild des § 40 HOAI. Zum Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von der Beklagten Architektenhonorar. Beide Parteien haben gemeinsam an einem Projekt gearbeitet, das in einem Vorhaben- und Erschließungsplan für die Gemeinde münden sollte. In Absprache mit der Beklagten hat die Klägerin eine Beschlussvorlage für die Gemeinderatssitzung am 26.10.1992 erstellt, die von der Gemeinde am gleichen Tag angenommen wurde. Mit dem Beschluss hat die Gemeinde der Beklagten als Vorhabenträger ein Angebot zum Abschluss eines sogenannten Durchführungsvertrages zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan gemacht. Danach war der Beklagten aufgegeben, innerhalb von 3 Monaten „einen detaillierten Vorhaben- und Erschließungsplan vorzulegen, sich schriftlich zu erklären, zur Durchführung des Vorhabens und der Erschließungsmaßnahme bereit und in der Lage zu sein sowie sich zur Durchführung der Maßnahmen in einer bestimmten Frist zu verpflichten". Gleichsam sollte die Beklagte innerhalb von 3 Monaten den Nachweis über das Eigentum an den Erschließungsflächen führen. Am 14.10.1992 fand hierzu im Hause der Klägerin eine Besprechung mit der Beklagten statt, in der das Vorgehen im Hinblick auf diesen Gemeinderatsbeschluss besprochen wurde. Diese Besprechung bestätigte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 15.10.1992. Zur Festlegung der weiteren Maßnahmen fand am 2. 11. 1992 im Hause der Klägerin eine Besprechung statt, an der von Seiten der Beklagten der Geschäftsführer Herr A. und ein Herr L. teilnahmen. Im Laufe der Besprechung legte die Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten den vorgefertigten Vertrag „Architektenvollmacht und Auftrag" vom 2.11.1992 zur Unterschrift vor. Herr A. nahm den Vertrag an sich; einige Tage später erschien Herr M. mit dem Vertrag bei der Klägerin und erklärte, er habe den Auftrag, als Honorar einen Festpreis mit der Klägerin zu vereinbaren. Die im Vertrag enthaltenen Hinweise auf "Zone III Mittelsatz" sowie der nächste Satz „städtebauliche Entwürfe . . . abgerechnet" wurden gestrichen und umseitig die Zusatzvereinbarung über ein Pauschalhonorar von 98 000,00 DM hinzugefügt. Die „Architektenvollmacht und Auftrag" und die Zusatzvereinbarung wurden von Herrn M. und durch den Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet. Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 7.12.1992 der Beklagten den Planungsauftrag zur Aufstellung des Vorhaben- und Erschließungsplanes und die Pauschalhonorarvereinbarung. Eine Gegenäußerung der Beklagten erfolgte hierauf nicht. Eine erste Abschlagszahlung i. H. v. 25 000 DM wurde der Klägerin bezahlt. Auf Ersuchen der Klägerin hat der Geschäftsführer der Beklagten die von ihm unterzeichnete „Architektenvollmacht und Auftrag" vom 1.2.1993 übersandt. Mit Schreiben vom 12.5.1993 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Vorhaben- und Erschließungsplan habe den Planungsstand erreicht, dass der Auslegungsbeschluss von der Gemeindevertretung gefasst werden könne. Hierauf erhielt sie das Schreiben der Beklagten vom 21.5.1993, in dem diese der Klägerin mitteilte, „künftig diese Dinge direkt mit Herrn M. als Geschäftsführer der GGW-Gesellschaft für Wohn- und Gewerbebau in W. mbH weiter zu bearbeiten". Gleichzeitig setzte die Beklagte die Klägerin von dem von ihr an die Gemeinde W. gerichteten Schreiben vom 29.4.1993 in Kenntnis, wonach die Beklagte auf die Durchführung des Vorhabens verzichtete. Die Gemeinde hat den Beschluss vom 26.10.1992 aufgehoben. Die Klägerin fasste das Schreiben der Beklagten vom 21.5.1993 als Kündigung des Architektenvertrages auf und legte die Honorarschlussrechnung vom 28.5.1993, die von der Beklagten trotz Mahnung nicht beglichen wurde. Die Beklagte hat behauptet, es sei kein wirksamer Architektenvertrag zustandegekommen. Herr M., der den Architektenauftrag vom 2.11.1992 - unstreitig - unterzeichnet habe, habe keinerlei Vollmacht zum Abschluss eines solchen Vertrages gehabt. Vielmehr sei bei der Beklagten in einer Gesellschafterversammlung vom 2.11.1992, nachdem Herr M. von den Vorgängen berichtet habe, eine einvernehmliche Abstimmung der Gesellschafter untereinander dahingehend erfolgt, dass an die Klägerin ein Auftrag nicht erteilt werden solle. Auch die erste Abschlagszahlung i. H. v. 25.000 DM habe Herr M. persönlich geleistet. Weiterhin sei die von der Klägerin vorgelegte Auftragsurkunde storniert worden. Die Parteien hätten einvernehmlich die Aufhebung jedweder eventuell bestehender vorvertraglicher oder vertraglicher Verpflichtungen vorsorglich vereinbart. Die Klägerin sei bereits durch die Gemeinde W. mit der Durchführung entsprechender Arbeiten beauftragt worden. Sie wolle folglich eine bereits für einen anderen Auftraggeber erbrachte Leistung erneut in Rechnung stellen. Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Architektenhonorar aus dem Werkvertrag gem. §§ 631, 641 i.V.m. § 40 HOAI zu. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Aus den Gründen: Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. . . 2. Zwischen den Parteien ist ein Architektenvertrag vom 14.10.1993 über die Planungsleistungen für das Projekt Vorhaben- und Erschließungsplan „Wohn- und Gewerbepark - Ost - Gemeinde W." auf einem 22 ha großen Teil des Flurstückes 68/32 Flur 2 der Gemarkung W. zustandegekommen. Der Vertrag ist spätestens mit der von der Beklagten unterzeichneten „Architektenvollmacht und Auftrag" vom 1. 2. 1993 geschlossen worden. Hierin bestätigt nämlich die Beklagte, dass sie der Klägerin die Architektenleistung zum Vorhaben- und Erschließungsplan „Wohn- und Gewerbepark - Ost - Gemeinde W." übertragen hat. Sie geht damit selbst von einem bestehenden Vertrag in dem von der Klägerin behaupteten Umfang aus. Zwischen den Parteien ist gleichsam die Zusatzvereinbarung zum Pauschalhonorar wirksam geschlossen worden. Die Beklagte ist, durch das Schreiben der Klägerin vom 7.12.1993 und zuvor, nach ihrem eigenen Vortrag durch Herrn M., über die Zusatzvereinbarung informiert worden. Wenn die Beklagte das so nicht wollte, dann hätte sie mindestens auf das Schreiben der Klägerin vom 7.12.1995 reagieren bzw. Einschränkungen treffen müssen. Vielmehr bestätigt sie mit ihrem Schreiben vom 1.2.1993 einen bestehenden Architektenvertrag unter stillschweigender Hinnahme bzw. Duldung der ihr bekannten Zusatzvereinbarung. Insofern sich die Beklagte auf eine fehlende Honorarvereinbarung „bei Auftragserteilung" beruft, übersieht sie, dass abweichend vom § 4 Abs. 1 und 2 HOAI diese Regelung bei Auftragnehmern mit Geschäftssitz in den neuen Bundesländern bis zum 31. 12. 1992 keine Geltung hatte (Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel V, Sachgebiet A, Abschnitt III, Nr. 3, lit. a). Der Vertrag ist durch die Beklagte gekündigt worden. Anders war die Erklärung der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 21.5.1993 für die Klägerin nicht zu verstehen. Sie ist demnach berechtigt, die vereinbarte Vergütung unter Anrechnung ersparter Aufwendungen zu verlangen (§ 649 BGB). 3. Der Klägerin steht das hier geltend gemachte Honorar dann zu, wenn die ihr übertragenen und die bis zur Beendigung des Vertrages als fertiggestellt abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Der Umfang der vom Architekten zu erbringenden Leistungen ergibt sich aus den von ihm übernommenen bzw. übertragenen Leistungen. Die der Klägerin übertragenen Architektenleistungen entsprechen dem Leistungsbild des § 40 HOAI. Der Vorhaben- und Erschließungsplan zielt wie ein Bebauungsplan auf die Regelung der Zulässigkeit von Vorhaben in seinem Gebiet (§ 55 Abs. 4 BauZVO). An ihn sind die gleichen materiell-rechtlichen Anforderungen wie bei dem Bebauungsplan zu stellen (vgl. Söfker, ZfBR 1992, 149 f.). Der Architekt hat die von ihm erbrachten Leistungen im einzelnen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH NJW-RR 1994, 1238). Die Klägerin hat nicht im Einzelnen vorgetragen und entsprechenden Beweis dafür angetreten, dass die Leistungsphasen 1 - 4 des Leistungsbildes des § 40 HOAI in dem von ihr behaupteten Umfang erbracht worden sind. Die Klägerin hat den im § 40 HOAI enthaltenen Katalog von Leistungspflichten nicht damit schlüssig dargetan, indem sie sich in ihrem Vortrag auf die Benennung der in § 40 Abs. 1 Ziff. 1. - 4. enthaltenen Begriffsbestimmungen und der Kurzbeschreibung des jeweiligen Leistungsinhalts beschränkt. Aus dem Gestaltungsentwurf zur Beschlussvorlage vom 26.10.1992 lässt sich gleichsam nicht der von der Klägerin behauptete Umfang an erbrachter Leistung erschließen. Vielmehr wird in dem Beschluss vom 26.10.1992 darauf verwiesen, dass es nunmehr darum gehe, "einen detaillierten Vorhaben- und Erschließungsplan" zu erstellen. Der Senat vermag hiernach den Gestaltungsentwurf zur Beschlussvorlage vom 26.10.1992 lediglich als den Leistungserfolg der Leistungsphase 3 - Vorentwurf - anzusehen. Die Beklagte hat das insoweit auch nicht in Abrede gestellt, wenn sie den Gestaltungsentwurf als Vorentwurf ansieht. Sie behauptet zudem nicht die Nichterbringung einzelner Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Leistungsphase 3 im allgemeinen notwendig sind. Würde sie dies behaupten, hätte sie das - als eine Ausnahme von der Regel - zu beweisen. Der Klägerin obläge es dann nachzuweisen, dass die einzelnen nicht erbrachten Grundleistungen nicht erforderlich oder jedenfalls nicht von zentraler Bedeutung waren (Hesse/Korbion/Mantscheff, HOAI-Kommentar 1996, § 5 Rdn. 25 m.w.N.). Da das hier vorliegend nicht der Fall ist, kann die Klägerin den für die Leistungsphase 3 ausgewiesenen Honoraranteil in Höhe von 40 % beanspruchen. Für den Leistungserfolg der Leistungsphase 4, die das Erarbeiten der endgültigen Lösung der Planungsaufgabe als Grundlage für den erforderlichen Satzungsbeschluss der Gemeinde beinhaltet, hat die Klägerin aus den dargelegten Gründen keinen Honoraranspruch. Die Schreiben der Klägerin vom 5.4.1993 und 12.5.1993 geben hierfür auch ergänzend nichts her. Im Fall der Nichterbringung einer gesamten Leistungsphase - hier die Leistungsphase 4 - ist das Honorar um den entsprechenden, auf die betreffende Leistungsphase entfallenden Anteil zu kürzen. Denn nach Werkvertragsrecht erfolgt eine Vergütung nur für die erbrachten und abgenommenen Leistungen, denen hier entsprechende Honorarsätze zugeordnet sind (vgl. a.a.O., § 5 Rdn. 22 m.w.N.). Das Honorar für die Leistungsphasen 1 und 2 war teilweise zu kürzen. Die Übernahme des Leistungsbildes des § 40 HOAI legt grundsätzlich einen Katalog von Leistungspflichten mit chronologischer Stufenfolge fest. Das setzt für die Inangriffnahme der Leistungsphase 3 voraus, dass die Klägerin die Leistungsphasen 1 und 2 erbracht hat. Die vollen Vom-Hundert-Sätze der Leistungsphasen 1 und 2 des § 40 HOAI dürfen jedoch nicht schon deshalb automatisch als erbracht abgerechnet und somit in Rechnung gestellt werden, wie hier geschehen, weil das volle Leistungsbild des § 40 HOAI Auftragsinhalt geworden ist. Denn abweichend von den sonst geltenden Grundsätzen fester Vom-Hundert-Sätze für die jeweiligen Leistungsphasen sind den hier vorbereitenden Leistungsphasen 1 und 2 keine festen Vom-Hundert-Sätze des Gesamthonorars, sondern variable Rahmensätze zugeordnet. § 40 Abs. 1 HOAI verweist insofern auf die sinngemäße Geltung des § 37 Abs. 5 HOAI, wonach mangels anderweitiger schriftlicher Vereinbarung die Leistungsphase 1 mit 1 %-Punkt und die Leistungsphase 2 mit 10 %-Punkt zu bewerten sind. Für eine schriftliche Vereinbarung, die die vollen Vom-Hundert-Anteile rechtfertigt, hat die Klägerin nicht vorgetragen, so dass sie für die Leistungsphasen 1 und 2 insgesamt nur 11 % beanspruchen kann (vgl. Pott/Dahlhoff, HOAI-Kommentar, 1992, § 32 Rdn. 3 f.). Mithin stehen der Klägerin für erbrachte Leistungen 51 % vom Gesamthonorar zu. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe die Leistungen bereits für einen Dritten erbracht, ist unbeachtlich. Die Beklagte hat ausweislich des Beschlusses vom 26.10. 1992 die angebotene, beauftragte und erbrachte Leistung entgegengenommen und für sich erfolgreich verwertet. 4. Die Klägerin kann gleichfalls keinen Erfolg haben mit der von ihr für die Leistungsphase 5 beanspruchten Vergütung für nicht erbrachte Leistung. Die für die nicht erbrachten Leistungen berechnete Vergütung unter Anrechnung von 40 % ersparter Aufwendungen lässt offen, wie sie für den konkreten Vertrag gerade zu diesem Prozentsatz gekommen ist und ob vom richtigen Begriff der Ersparnis ausgegangen wurde. Der Verweis auf lediglich einen pauschalen Prozentsatz genügt nicht, auch nicht, wenn dieser Prozentsatz bei Architektenverträgen so üblich ist (BGH NJW 1996, 1282 und 1751). 5. Das Honorar ist fällig, da die Honorarschlussrechnung vom 28.5.1993 prüffähig ist (§ 8 HOAI). Haben die Parteien ein Pauschalhonorar vereinbart, reicht die Angabe des vereinbarten Pauschalhonorars im Rahmen der Honorarschlussrechnung aus. Die unrichtige Angabe des § 15 HOAI statt § 40 HOAI steht dem nicht entgegen. Die in der Schlussrechnung angesetzten Leistungsphasen mit den entsprechenden Vom-Hundert-Sätzen sind nach § 40 HOAI angegeben. Gleichsam steht der Prüffähigkeit der Rechnung nicht die fehlende Angabe der Honorarzone entgegen. Das Pauschalhonorar ist nachvollziehbar im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze der Honorarzone III vereinbart worden (§ 41 HOAI). Die Höhe des Honorars ist aus den vorgenannten Gründen für die Leistungsphase 1 - 4 und 5 nicht richtig ermittelt worden. Der Klägerin stehen nur 51 % vom Gesamthonorar über 98 000,00 DM zu. Hieraus ergibt sich ein Honorar von 49 980,00 DM. Unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Abschlagszahlung i. H. v. 25 000 DM und zzgl. 15 % MWSt. steht der Klägerin folglich ein Vergütungsanspruch i. H. v. 28 727,00 DM zu.

 


zuletzt geändert am: 29.03.2004

PBS Planungsbüro Suhle