Mitverursachung fehlerhaft verlegte Abwasserleitung

BGB § 1004 Abs. 1

BGH, Urt. v. 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94 -

Gegen den Anspruch des Eigentümers auf Erstattung von Kosten, die ihm durch die Beseitigung von Eigentumsstörungen entstanden sind, kann der Einwand erhoben werden, dass er die Störungen selbst mitverursacht habe (hier: Eindringen von Baumwurzeln in eine fehlerhaft verlegte Abwasserleitung). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass § 254 BGB im Rahmen des § 1004 BGB entsprechend anwendbar ist, so dass mitwirkendes Verschulden oder mitursächliches Verhalten den Beseitigungsanspruch oder den Kostenerstattungsanspruch des Eigentümers nach Selbstbeseitigung der Störung inhaltlich beschränken oder ausnahmsweise ganz ausschließen können (vgl. z.B. RGZ 138,327,330 f.; BGH, Urt. v. 14. Dezember 1954, I ZR 134/53, NJW 1955,340,341; v. 8. Juli 1964, V ZR 173/63, WM 1964,1102,1104; BGHZ 110,313 ,317). Die Literatur stimmt dem überwiegend zu (vgl. z.B. Soergel/Mühl, BGB 12. Aufl. § 1004 Rdn. 198; Erman/Hefermehl, BGB 9. Aufl. § 1004 Rdn. 26; Palandt/Bassenge, BGB 53. Aufl. § 1004 Rdn. 34; zum Meinungsstand im übrigen vgl. die Nachweise bei Staudinger/Gursky, BGB 12. Aufl. § 1004 Rdn. 109 und MünchKomm/Medicus, BGB 2. Aufl. § 1004 Rdn. 68 Fn. 126,127; offengelassen in BGHZ 97,231 ,237;BGHZ 106,142 ,144; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991,2826,2828). Soweit im Schrifttum einige Autoren einen abweichenden Standpunkt vertreten (vgl. vor allem Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch [1972], S. 50 und öfter; Staudinger/Gursky, aaO Rdn. 129 ff, Rdn. 145), beruht dies auf einem engeren Begriff der Beeinträchtigung und ihrer Beseitigung, bei dem für die entsprechende Anwendung von § 254 BGB weder Bedürfnis noch Legitimation besteht. Vom weiteren Beeinträchtigungsbegriff der herrschenden Meinung ausgehend, ist dies jedoch unerlässlich, um zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen (vgl. auch Grunsky, AcP 183 [1983], S. 209,211 f.). Die hiergegen vorgetragenen Bedenken überzeugen nicht. Es mag zutreffend sein, dass § 1004 BGB darauf abzielt, den gesetzmäßigen Zustand sicherzustellen, und dass die Haftung des Störers auf seiner rechtlichen Herrschaft über die Störungsquelle beruht. Gleiches gilt aber auch für den Eigentümer, wenn die Störung durch in seinem Herrschaftsbereich liegende Umstände mitverursacht wird. Dann sind auch die Verantwortlichkeiten dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 254 BGB entsprechend zu verteilen. Auf ein Verschulden kann es dabei nicht ankommen. Ebensowenig wie der Störungsbeseitigungsanspruch des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an ein schuldhaftes Verhalten des Störers anknüpft, setzt die Mitverantwortlichkeit des gestörten Eigentümers für die eingetretene Störung einen Schuldvorwurf voraus (BGHZ 110,313 ,317 m.w.N.). § 254 BGB ist deshalb auch für den hier in Rede stehenden Kostenerstattungsanspruch des Eigentümers nach Selbstbeseitigung der Störung entsprechend anwendbar. Demgemäß hat das Berufungsgericht den Klägern die ihrer Risikosphäre zuzurechnende mangelhafte Ausführung der Kanalverlegung angelastet. Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Berufungsgerichts sind die Muffen nicht fachgerecht verbunden worden, so dass sie sich gegeneinander verschoben haben (Muffenversatz) und die Verbindung undicht geworden ist. Dadurch ist das Eindringen der Baumwurzeln ermöglicht und begünstigt worden, weil die austretenden Stoffe das Wurzelwachstum in diesem Bereich angeregt haben. Das Berufungsgericht hat unter Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile den bereicherungsrechtlichen Anspruch der Kläger um ein Drittel ermäßigt. Die Gewichtung der einzelnen Verursachungsbeiträge im Rahmen einer Abwägung nach § 254 BGB ist - wie auch die Revision nicht verkennt - Aufgabe des Tatrichters und im Revisionsverfahren deshalb grundsätzlich nicht nachprüfbar. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde liegen und dabei alle Umstände vollständig und richtig berücksichtigt sind und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (BGH, Beschl. v. 21. Dezember 1988, III ZR 54/88, NJW-RR 1989,676,677 m.w.N.). Derartige Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Ein Erfahrungssatz - wie ihn die Revision geltend macht - dahingehend, dass bei einer undichten Abwasserleitung der entscheidende Verursachungsbeitrag nicht von der Pflanze, sondern von der Undichtigkeit ausgeht, weil sich das unterirdische Wachstum von Pflanzen nicht beeinflussen lasse, besteht nicht. Vielmehr ist nicht zu übersehen, dass ursächlich beide Umstände sind, die Beeinträchtigung durch die Verstopfung von der natürlichen Entwicklung des Wurzelbereichs, also aus dem vom Willen des Eigentümers getragenen natürlichen Wachstum, ausgegangen ist (vgl. BGHZ 122, 283, 286). Es stellt daher keinen Verstoß gegen § 286 ZPO dar, dass das Berufungsgericht eine Mitverursachung der Kläger nur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens der Beklagten in die ordnungsgemäße Herstellung und Unterhaltung der Anschlussleitung angenommen und einen weitergehenden Mitverursachungsbeitrag im Hinblick auf die bereits im Hineinwachsen der Wurzeln in das fremde Eigentum liegende Störung verneint hat. Ob bei der Abwägung weitere Umstände zu berücksichtigen sind, kann dahingestellt bleiben. Insoweit ist dem vorgetragenen Tatsachenstoff nichts zu entnehmen und von der Revision auch keine Rüge erhoben.

 


zuletzt geändert am: 29.03.2004

PBS Planungsbüro Suhle